Reiten: Von den Anfängen bis zum Spitzensport

Reiten übt auf viele Menschen eine Faszination aus. Waren Pferde vor Jahrhunderten ein Mittel zum Zweck, sind sie heute Freunde, Spitzensportler und Mediziner in einem. Wir machen einen kleinen Ritt durch die verschiedenen Bereiche des Reitens und sehen uns unter anderem an, warum das Reiten so beliebt ist und welche Einsatzmöglichkeiten es gibt.
Die ersten Reiter der Geschichte: Seit wann reitet der Mensch?
Heute ist es in der Regel kein Problem von A nach B zu kommen. Wir schwingen uns aufs Fahrrad, nehmen das Auto oder die öffentlichen Verkehrsmittel. Unsere Vorfahren mussten lange Strecken zu Fuß zurücklegen, bis sie das Pferd für sich entdeckten. Das Reiten war eine Revolution, die alles änderte – von der Kommunikation über den Transport bis hin zur Kriegsführung.
Wann genau die ersten Menschen auf Pferden ritten, ist unklar. Es gibt unterschiedliche archäologische Funde. Ein internationales Team von Archäologen konnte Spuren von Pferden schon vor 5500 Jahren in der Botai-Kultur im Norden des heutigen Kasachstan nachweisen. Die Knochenfunde der Pferde ähnelten bereits den stark domestizierten Pferden der späten Bronzezeit. An den Zähnen wurden Schäden entdeckt, die darauf hinweisen, dass sie Zaumzeug im Gebiss getragen haben.
Ein weiterer Fund stammt von rund 3000 vor Christus aus der Jamnaja-Kultur aus Osteuropa. Hier konnte mithilfe einer aktuellen Studie nachgewiesen werden, dass die Pferde nicht nur als Nutztiere gehalten, sondern auch geritten wurden. Aufschluss gab die Analyse der Skelette von Menschen. Mehrere der Individuen hatten Anzeichen des sogenannten „Horsemanship-Syndromes”. Das sind anatomischen Veränderungen, die typisch sind für Menschen, die regelmäßig reiten. Dazu zählen beispielsweise Verformungen der Muskelansatzstellen an Becken und Oberschenkelknochen sowie Veränderungen der normalerweise runden Form der Hüftpfannen.
Möglicherweise waren die Jamnaja nicht die ersten Menschen, die auf Pferden ritten, doch wurden erstmals eindeutige Belege gefunden, die bisher als die ältesten und zuverlässigsten gelten.
5 Gründe, warum das Reiten so beliebt ist
Warum ist das Reiten so ein beliebter Freizeitsport? Wir nennen Ihnen 5 Gründe, warum sich der Reitsport so großer Beliebtheit erfreut.
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Reiten hält den Körper fit: Beim Reiten werden sämtliche Muskelgruppen beansprucht, besonders die von Rücken und Bauch. Je nach Gangart des Pferdes, müssen unterschiedliche Muskeln rhythmisch angespannt und entspannt werden. Somit ist Reiten ein perfektes Training für den gesamten Körper. Besonders Reitanfänger haben in den ersten Tagen ordentlich mit Muskelkater zu kämpfen.
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Reiten bringt Entspannung: Den Alltag hinter sich lassen, Stress abbauen und herunterfahren. Menschen, die reiten und somit mehr Zeit in der Natur verbringen, fühlen sich körperlich und geistig ausgeglichener als Menschen, die keinen Kontakt zu Tieren haben. Das ergab unter anderem eine Studie des Zentrums für Public Health der Medizinischen Universität Wien und der Fachhochschule Campus Wien.
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Verantwortung übernehmen: Ein Pferd ist kein Gerät, das man zum Reiten rausholt, sondern ein Lebewesen, mit dem der Reiter seine Zeit teilt. Er übernimmt die Verantwortung für die Pflege, die Versorgung und das Training. Die Verantwortung wird Sie innerlich wachsen lassen. Sollten Sie Reitanfänger sein, kommen nach und nach weitere Aufgaben hinzu.
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Geduld lernen: Pferde haben einen eigenen Charakter und reagieren sensibel auf Ihre Stimmungen. Haben Sie einen schlechten Tag, sind ungeduldig oder ruppig, überträgt sich das auf das Pferd, welches im Gegenzug mit Unmut reagieren kann. Lernen Sie sich zu beherrschen, geduldig zu sein und ruhig zu werden. Denn mit Ungeduld und Stress kommen Sie bei Pferden nicht weiter.
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Selbstbewusstsein stärken: Der Umgang mit Pferden, die aufrechte Körperhaltung durch das Muskeltraining, die (neu) erlernten Fähigkeiten, die Ruhe durch den Kontakt zum Pferd und zur Natur: all das stärkt Ihr Selbstbewusstsein, auch außerhalb des Stalls.
Reiten lernen
Reiten kann jeder lernen, in jedem Alter. Dafür sind keine besonderen Begabungen oder Fähigkeiten notwendig. Auch die Gründe, warum jemand reiten lernen möchte, sind so vielfältig wie die Reiter. Die einen suchen Erholung, die anderen tun es aus sportlichem Ehrgeiz. Die einen wollen raus aus dem Alltag und rein in die Natur, die anderen versuchen, auf diese Weise etwas für ihren Geist und ihren Körper tun. Sie alle eint aber die Liebe zu Pferden. Laut einer Umfrage von IPSOS aus dem Jahr 2019 würden 700.000 Menschen gerne reiten oder wieder in den Sport einsteigen.
Um die reiterlichen Grundfertigkeiten zu erlernen, sollten Sie sich eine qualifizierte Reitschule suchen. Dort gibt es neben professionellen Ausbildern auch ausgebildete Lehrpferde, die sich nicht so leicht von nervösen Anfängern und deren Fehlern aus der Ruhe bringen lassen.
Welche Pferde eignen sich für Anfänger?
Wenn Sie bereits erste Erfahrungen im Reiten haben und nun ein Pferd kaufen möchten, fragen Sie sich möglicherweise, welche Pferde für Anfänger geeignet sind. Es gibt nicht die eine perfekte Pferderasse für Anfänger. Es gibt jedoch Pferderassen, die sich grundsätzlich besser für Anfänger eignen, weil sie als sehr gelassen, geduldig und freundlich gelten. Letztendlich hängt es aber vom Charakter des Pferdes ab und die Chemie muss zwischen Ihnen beiden stimmen. Deswegen sollten Sie sich vor einem Kauf verschiedene Pferde und Pferderassen ansehen und Proberitte unternehmen. Darüber hinaus sollten Sie neben der Pferderasse Einsatzgebiet, Alter und Ausbildung des Pferdes berücksichtigen.
Einsatzgebiet: Überlegen Sie sich, für welches Einsatzgebiet Sie das Pferd kaufen möchten. Soll es ein Freizeitpferd zum Ausreiten werden? Dann eignen sich beispielsweise Islandpferde oder Haflinger. Oder möchten Sie sich im Dressurreiten spezialisieren? Dann sind etwa Friesen eine geeignete Wahl.
Ausbildung: Reitanfänger sollten auf den Kauf junger Pferde verzichten, weil diese in der Regel noch keinen hohen Ausbildungsstand haben. Sie als Anfänger sind in der Regel noch nicht in der Lage, ein junges Pferd auszubilden. Ältere Pferde sind erfahren, weniger schreckhaft und lassen sich nicht aus der Ruhe bringen, wenn Sie als Anfänger noch etwas unbeholfen mit dem Auftreten, der Führung oder den Kommandos sind.
Alter: Erfahrene Pferde erleichtern das Reiten lernen. In der Regel wird ein Alter von etwa zehn Jahren bei Reitpferden empfohlen. Sie haben die Ausbildung abgeschlossen, das Wissen verinnerlicht und sind in der Regel gelassen.
Grundsätzlich gelten folgende Pferderassen als beliebt bei Anfängern:
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Ältere Pferde, die die Ausbildung abgeschlossen haben und gelassen sind. Dazu kann auch beispielsweise der Friese gehören.
Tipps zum Reiten lernen
Es ist nie zu spät, um mit dem Reiten anzufangen. Egal, ob Sie es als Erwachsener probieren möchten oder ob Ihr Kind am Reiten interessiert ist, wir haben zum Einstieg ein paar Tipps für Sie zusammengetragen.
Tipp 1: Reiterferien zum Reinschnuppern
Bevor Sie oder Ihr Kind sich verbindlich zum Reitunterricht anmelden, können Sie ein bisschen Reitluft schnuppern, indem Sie sich für Reiterferien anmelden. Diese sind auf einen bestimmten Zeitraum begrenzt und geben Ihnen die Möglichkeit, vom Reiten bis zur Pferdepflege alle Bereiche auszutesten. Wenn die Reiterferien Ihren Vorstellungen entsprechen, suchen Sie sich im Anschluss eine gute Reitschule. Wenn nicht, sind Sie um eine Erfahrung reicher und wissen, dass Sie sich Zeit und Geld sparen können.
Tipp 2: Körperliche Fitness im Vorfeld verbessern
Wie Sie bereits gesehen haben, ist Reiten Ganzkörpersport. Möchten Sie sich den Einstieg erleichtern, machen Sie bereits vor dem ersten Reitunterricht Bauch- und Rückenübungen. Auch regelmäßiger Ausdauersport sowie Dehnübungen helfen Ihnen beim Reiten lernen.
Tipp 3: Suchen Sie eine seriöse Reitschule
Nehmen Sie nicht die erstbeste Reitschule, die Sie bei der Suche finden. Vergleichen Sie mehrere Reitschulen miteinander und besuchen Sie sie persönlich. Bei der Deutschen Reiterlichen Vereinigung e.V. Bundesverband für Pferdesport und Pferdezucht Fédération Equestre Nationale (FN) finden Sie ein Pferdebranchenbuch sowie eine Landkarte mit Pony- und Reitschulen, mithilfe derer Sie nach Reitschulen in Ihrer Nähe suchen können.
Tipp 4: Geben Sie sich Zeit und freuen Sie sich über kleine Erfolge
Reiten lernen Sie nicht von heute auf morgen, es braucht vielmehr ein paar Jahre Zeit, um ein guter Reiter zu werden. Wichtig ist, dass Sie regelmäßig am Reitunterricht teilnehmen, also mindestens einmal die Woche, um Routine zu bekommen, fit zu werden und das Gespür für die Pferde zu verinnerlichen. Freuen Sie sich über jeden Erfolg und jede Verbesserung, das motiviert Sie dranzubleiben.
Tipp 5: Analysieren Sie Ihre Haltung im Spiegel oder auf Videoaufnahmen
Es ist sehr hilfreich, wenn Sie sich selbst beim Reiten sehen. In Reitschulen gibt es häufig Spiegel, mithilfe derer Sie Ihren Sitz und Ihre Haltung auf dem Pferd prüfen können. Alternativ können Sie jemanden bitten, Sie zu filmen. Die Aufnahmen können Sie beispielsweise gemeinsam mit dem Reitlehrer analysieren. Ihnen selbst werden Dinge auffallen, die Sie während des Reitens nicht bemerkt haben, nun aber verbessern können.
Pferdesportarten

Die Reitschule längst hinter sich gelassen haben Spitzensportler mit ihren Hochleistungspferden im Pferdesport. Es gibt zahlreiche Meisterschaften, drei Disziplinen sind sogar olympisch:
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Dressur: Bei der Dressur wird das Pferd gymnastisch ausgebildet. Ziel ist es, dass es auf die sensibel eingesetzten Gewichtsverlagerungen des Reiters, also auf Schenkeldruck und Zügelbewegungen, reagiert und gewünschte Lektionen und Figuren exakt ausführt.
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Springen bzw. Springreiten: Beim Springreiten müssen Pferd und Reiter möglichst schnell und fehlerfrei eine Reihe von Hindernissen auf einer vorgeschriebenen Strecke überwinden.
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Vielseitigkeit: Vielseitigkeit ist der Mehrkampf des Pferdesports. Absolviert werden die Disziplinen Dressur, ein sechs Kilometer langer Geländeritt mit rund 30 Hindernissen sowie Springen.
Darüber hinaus gibt es noch zahlreiche weitere Meisterschaften. Dazu gehören beispielsweise Fahren, Voltigieren, Distanzreiten, Polo, Para-Equestrian, also Reiten als Sport für Menschen mit Behinderung, aber auch Westernreiten.
Deutschland, eine Pferdesportnation
Deutschland ist eine der erfolgreichsten Pferdesportnationen der Welt. Das belegen die zahlreichen Siege bei Weltmeisterschaften und olympischen Spielen. Isabell Werth, Reiner Klimke, Hans Günter Winkler, Ludger Beerbaum, Nicole Uphoff und Michael Jung sind nur einige Namen der mehrfach Goldmedaillenträger bei vergangenen Olympiaden im Reitsport. Laut statistischem Bundesamt war die deutsche Dressurreiterin Jessica von Bredow-Werndl im Januar 2023 auf Platz 2 der weltweit erfolgreichsten Dressurreiterinnen (Stand: 27. Februar 2023).
Abgesehen von den Erfolgen im Spitzensport stellt Deutschland die weltweit größte Pferdesport-Vereinigung, die FN bzw. Deutsche Reiterliche Vereinigung.
Therapeutisches Reiten
Reiten kann mehr sein als eine Freizeitbeschäftigung oder ein Spitzensport. Es wird auch zu therapeutischen Zwecken eingesetzt. Die Therapie mit Pferden wird bei Menschen mit unterschiedlichen Erkrankungen, Behinderungen und Störungen eingesetzt. Zentrale Bestandteile der Therapie sind das Pferd und die Begegnung zwischen Mensch und Tier. Die besondere Rolle, die das Pferd einnimmt, kommt durch die Nähe zustande, die es zulässt und dadurch, dass es ohne Vorurteile auf den Patienten zugeht. Es kann im Gegenüber verschiedene Gefühle wie Zuneigung, Freude oder auch Angst auslösen.
Der Begriff therapeutisches Reiten stellt einen Oberbegriff dar und wird in verschiedene Therapiearten unterteilt. So fördert das heilpädagogische Reiten beispielsweise Menschen mit körperlicher oder geistiger Behinderung ganzheitlich und spricht sie körperlich, geistig, emotional und sozial an.
Die Hippotherapie hingegen umfasst krankengymnastische Behandlungen und dient als Ergänzung zur Physiotherapie. Das Reiten stärkt die Körpermuskulatur, sorgt für ein gutes Gleichgewicht und kann sogar Verspannungen lösen.
Dies sind nur zwei Beispiele für die verschiedenen Therapiemöglichkeiten. Das Deutsche Kuratorium für Therapeutisches Reiten e.V. führt verschiedene wissenschaftliche Studien mit Universitäten und Fachhochschulen durch, um die bisherigen positiven, medizinischen Erkenntnisse zu untermauern.
FAQ: Häufig gestellte Fragen zum Reiten
Wie lange dauert es, bis man gut reiten kann?
Um ein guter und sicherer Reiter zu werden, sind einige Jahre an Übung und Praxis nötig. Daher empfiehlt es sich, regelmäßig in die Reitschule zu gehen. Mindestens einmal pro Woche sollten Sie reiten, um Fortschritte zu erzielen.
Was ist das Wichtigste beim Reiten?
Beim Reiten sind besonders Balance, Beweglichkeit, Koordinationsfähigkeit und eine körperliche Grundfitness wichtig. Außerdem sollten Sie ein Gespür für Pferde haben, geduldig sein und dem Pferd bestimmt, aber freundlich zeigen, dass Sie die Zügel im wahrsten Sinne des Wortes in den Händen halten.
Kann man als Erwachsener noch Reiten lernen?
Reiten kann man in jedem Alter lernen. Egal, ob mit fünf Jahren, 25 Jahren, 40 Jahren oder 70 Jahren.
Wie oft in der Woche sollte man reiten?
In der Regel sollte drei bis vier Mal pro Woche geritten werden. Wenn ein Pferd die Leistung erbringen kann und eine bestimmte Kondition hat, dann sollte diese auch abgerufen werden. Können Sie es zeitlich nicht leisten, dann gewährleisten Sie, dass das Pferd genug Auslauf hat, und unternehmen Sie ausreichend lange Trainings, wenn Sie vor Ort sind. Alternativ können Sie über eine Reitbeteiligung nachdenken.